Auf den Inseln des Titicacasees

Den Titicacasee kenne ich schon seit meiner frühesten Kindheit. Zumindest vom Hören, denn Pippi Langstrumpfs Vater lebt ja angeblich hier. Ich bin gespannt, ob ich ihn treffen werde.

Mit einer Fläche von über 8.000 Quadratkilometern ist der Titicacasee der größte See Südamerikas und außerdem der höchstgelegene, schiffbare See der Welt.  Er liegt auf einer Höhe von 3.812 Metern in der Hochebene der Anden zwischen Peru und Bolivien. Die bolivianische Marine trainiert auf dem Titicacasee, seit Bolivien 1884 den Salpeterkrieg gegen Chile und damit auch den Küstenzugang verloren hat.

Titicacasee
Puno am Titicacasee

Ich möchte diesen berühmten See erkunden und mache mich von Puno aus auf den Weg. Puno liegt auf der peruanischen Seite des Titicacasees und ist der Ausgangspunkt für Ein- oder Mehr-Tages-Touren. Ich entscheide mich für eine Zwei-Tages-Tour mit einer Übernachtung auf der Insel Amantani.

Titicacasee
Unterwegs auf dem Titicacasee

Auf den Inseln der Uros

Bereits kurz nachdem wir Puno verlassen haben, passieren wir die ersten Inseln der Urus. Die Urus leben auf schwimmenden, aus Schilf gebauten Inseln, die ungefähr 5km vor Puno ankern. Sie flohen ursprünglich vor den Quechua auf den See, wurden jedoch auch während der Inka- und Kolonialzeit verfolgt. Wenn ein Angriff drohte, lösten sie die Anker und ließen ihre Inseln weit auf den See hinaustreiben.

Heute leben noch ca. 2.000 Urus auf den schwimmenden Inseln, es gibt einen Kindergarten und eine Grundschule. Außerdem gibt es seit kurzem auch etwas Strom. Die peruanische Regierung stellte Solarzellen zur Verfügung und die Urus kauften darauf hin einen Fernseher pro Insel.

Auf einer Insel leben drei bis sechs Familien, eine Familie lebt ein einer Strohhütte. Pro Insel gibt es einen Chief, der von den Inselbewohnern gewählt wird. Auf der Insel, die ich besuche, ist Carmelo der Chief. Er heißt uns herzlich willkommen und erklärt uns, wie man eine schwimmende Insel baut. Zunächst benötigt man die Wurzeln des Schilfs. Die Wurzeln schwimmen und sind das Fundament der Insel. Auf die Wurzeln legt man viele Lagen Schilf, jede Woche wird eine neue Lage aufgetragen. Schließlich verankert man die Insel und errichtet die Strohhütten. Kochen ist auf den Schilfinseln übrigens eine sehr gefährliche Angelegenheit. Der kleine Ofen darf nur auf einem sehr großen Stein benutzt und muss immer im Auge behalten werden. Fängt eine der Inseln Feuer, brennt sie innerhalb von fünf Minuten komplett nieder.

Nach etwas mehr als einer Stunde verlassen wir die schwimmenden Inseln der Urus. Ich bin sehr beeindruckt. Heute könnten die Urus wieder am Ufer des Titicacasees leben, mit Strom, fließendem Wasser und einer echten Küche. Aber sie bleiben auf ihren schwankenden Inseln, auf denen alles ein bisschen klamm ist und nachts nur knapp über Null Grad herrschen.

Viel Koka auf Amantani

Wir fahren weiter zur Insel Amantani. Dort angekommen, werden wir von unseren Gastfamilien in Empfang genommen, denn auf Amantani gibt es keine Hotels. Meine Gastmutter heißt Margareta, ist 22 Jahre alt und hat eine zweijährige Tochter namens Emily. Sie besteht darauf, dass ich sie Mama Margareta nenne. Auf dem Weg zu ihrem Haus machen sich die über 4.000 Meter Höhe bemerkbar. Ich schaffe es kaum, Mama Margareta zu folgen. Während sie mit Emily auf dem Rücken den Berg leichtfüßig erklimmt und mir dabei noch allerhand erzählt, muss ich alle zehn Meter anhalten, um zumindest ein bisschen Luft zu bekommen.

Gemeinsam laufen wir nach einem kurzen Snack zum höchsten Punkt der Insel. Ich brauche ewig, denn ich bekomme einfach keine Luft. Mama Margareta ist das schon gewohnt. Aus ihrer Tasche zaubert sie eine Handvoll Koka-Blätter, die ich kauen soll. Das hilft, verspricht sie mir. Artig fange ich an, die Blätter zu kauen. Sie schmecken wie Heu und ich frage ich, wann wohl die Wirkung einsetzt. Einige Mitreisende geben bei der Hälfte des Weges auf und lassen sich von einem Pferd nach oben tragen. Ich schaffe es allein, vielleicht Dank der Koka-Blätter. Die Aussicht ist großartig.

Bereits um 18:00 ist es stockdunkel auf Amantani. Auch hier gibt es keinen Strom, keine Heizung und kein fließendes Wasser. Nach einem leckeren Abendessen, bestehend aus viel Mais mit vielen Kartoffeln, gehen wir schon um 20:00 ins Bett. Inzwischen ist es sehr kalt geworden und ich freue mich, als ich unter insgesamt fünf Decken endlich im Warmen bin.

Am nächsten Morgen verabschiede ich mich von Mama Margareta und Emily, denn es geht weiter auf den Nachbarinsel Taquile.

Auf nach Taquile

Nach ungefähr einer Stunde Bootsfahrt erreichen wir Taquile. Auch hier müssen wir vom Hafen eine halbe Stunde zum Dorfplatz laufen. Natürlich bergauf. Was für ein Glück, das Mama Margareta mir vor der Abfahrt noch ein paar Koka-Blätter zugesteckt hat. Auf dem Dorfplatz machen wir eine kurze Pause und besuchen die strickenden Männer. Die sind einmalig in Peru, denn eigentlich ist Stricken Frauenarbeit. Nicht so auf Taquile, hier stricken und weben alle.

Nachdem jeder aus unserer Gruppe mindestens eine Mütze gekauft hat, machen wir einen kleinen Spaziergang um die Insel.

Titicacasee
Mützen aus Alpaka-Wolle

Das Wetter ist traumhaft, die Aussicht auch und sogar die Atemnot hält sich in Grenzen.

Im Anschluss machen wir uns auf den Rückweg nach Puno. Pippi Langstrumpfs Vater habe ich nicht getroffen, obwohl ich Mama Margareta und einige andere Dorfbewohner nach ihm gefragt habe. Vielleicht wohnt er mittlerweile an einem anderen Ort.

Titicacasee
Unterwegs zurück nach Puno

 

Drei Tage auf dem Routeburn Track

Mein erster Great Walk steht an und ich bin schon etwas aufgeregt. In Queenstown steige ich in den Shuttlebus, der mich zum Startpunkt des Tracks bringt. Das Wetter ist zum Glück fantastisch, die Sonne scheint und es ist nicht windig.

Tag 1 – Von Routeburn Shelter bis zu den Routeburn Flats (6,5 km I 250m bergauf)

Die Strecke, die ich am ersten Tag zu bewältigen habe, ist weder besonders lang noch besonders steil. Und so kann ich alles ganz gemütlich angehen. Nach einer Stunde mache ich die erste Snack-Pause und nach 2 1/2 Stunden komme ich bereits an der Hütte „Routeburn Flats“ an, wo ich übernachten werde.

Ich gehe früh ins Bett, denn am nächsten Tag habe ich einiges vor und möchte daher zeitig los. Um halb zehn liege ich im Bett, um zehn geht das Licht in der Hütte aus. Bis zum nächsten Morgen ist das Notausgang-Schild die einzige Beleuchtung.

Tag 2 – Von den Routeburn Flats bis zum Lake Howden (22,2km I 555m bergauf, 547m bergab)

Ich schaffe es tatsächlich, früh aufzustehen und laufe wie geplant um 7:30 los. Es ist noch gar nicht richtig hell und ich bin definitiv noch nicht richtig wach. Verschlafen stolpere ich die ersten Meter durch den Wald. Die grandiose Aussicht lässt mich zum Glück schnell wach werden. Die ersten drei Stunden geht es ausschließlich bergauf. Mehrfach halte ich an, um Luft zu holen. Ich frage mich, warum in aller Welt ich immer wieder so anstrengende Dinge unternehme. Ich könnte doch jetzt auch einfach in der Sonne sitzen. Mein Rucksack kommt mir viel zu schwer vor und ich mache viele Pausen, um zu Essen.

Als ich endlich am höchsten Punkt der Wanderung ankomme, bin ich etwas überrascht. So steil und anstrengend, wie ich es erwartet habe, war es dann doch nicht. Vielleicht bin ich nach meinen vielen Wanderungen der letzten Wochen auch schon trainiert? Ich genieße die Aussicht und freue mich. Von nun an geht es fast nur noch bergab.

Das sich „bergab“ auf den kompletten restlichen Tag beziehen wird, ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nach einer weiteren Stunde stelle ich fest, dass ich noch genauso untrainiert bin wie vor einigen Wochen. Die Beine schmerzen, aufgrund des Rucksacks auch der Rücken und die zuvor gemütlich Wanderwege haben sich felsige Kletterstrecken verwandelt. Außerdem geht es nicht bergab! Der Weg ist flach und an vielen Stellen geht es sogar leicht bergauf. Um trotzdem abzusteigen, muss ich alle paar Meter ein Stück nach unten klettern. So habe ich mir das nicht vorgestellt.

Um 16:00 komme ich erschöpft am Lake Mackenzie an. Von hier aus sind es immer noch drei bis vier Stunden zu meiner Hütte. Ich erkundige mich bei anderen Wanderern nach dem Weg dorthin und sie machen mir keine Hoffnung. Ich muss weiterhin klettern, es gibt keine richtigen Wanderwege. Zumindest soll es diesmal tatsächlich bergab gehen.

Ich laufe das letzte Stück so schnell ich kann und schaffe es tatsächlich in unter drei Stunden bis zum Ziel. Dort angekommen, falle ich todmüde ins Bett. Glücklicherweise habe ich den ganzen Tag über so viel gegessen, dass ich mich damit jetzt nicht mehr aufhalten muss. Ich schlafe tief und fest für die nächsten 12 Stunden.

Tag 3 – Vom Lake Howden bis Divine (3,4km I 150m bergauf, 250m bergab)

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es stürmisch und regnet leicht. Ich bin sehr erleichtert, dass ich gestern bei der weiten Strecke gutes Wetter hatte. Im Regen hätte ich mich wahrscheinlich einfach irgendwann fallen lassen.

Der Abstieg aus meinen Hochbett fällt mir schwer, die ersten Schritte mit Rucksack auf dem Wanderweg noch schwerer. Ich fluche vor mich hin, als es die ersten 20 Minuten schon wieder bergauf geht. Alles tut mir weh. Dann geht es endlich bergab und das tatsächlich für den Rest der Strecke. Herrlich. Erschöpft aber glücklich beende ich meine Wanderung.

Für alle, die sich nun fragen, warum ich nicht einfach die beiden mittleren Hütten gebucht habe: ich hätte es sehr gern, allerdings waren die Anfang Dezember bereits ausgebucht.

Was ich unterwegs gelernt habe:

  • Äpfel und Bananen sind kein guter Proviant. Sie sind schwer und liefern zu wenig Energie. Außerdem müssen die Reste in einem Müllbeutel mitgetragen werden, da einfach wegwerfen in NZ nicht erlaubt ist.
  • Sandflies sind die gemeinsten Insekten überhaupt. Ihre Stiche jucken wie verrückt und bleiben gefühlt für immer.
  • Es gibt auf Wanderwegen in NZ keine Mülleimer. Man sollte sich gut überlegen, was man mitnimmt.
  • Gekochtes Essen ist schwerer als ein Gaskocher und Fertignahrung.